Wer hat das verbrochen?

Der frühere Bezirk Tiergarten hat vor mehr als zwei Jahrzehnten begonnen, mit positiven Veränderungen auf die Probleme des Fußgänger- und Radverkehrs zu reagieren, erwähnt sei hier nur das Modellvorhaben Flächenhafte Verkehrsberuhigung, das zu einer nachweisbaren Senkung der Unfallzahlen geführt hatte. Als äußerst problematisch erkannte Bürgersteigradwege auf der Gotzkowskystraße, der Perleberger Straße, auf Alt-Moabit u.s.w. wurden entfernt oder entwidmet. Sie hatten in ihrer Entstehungszeit nur dem Zweck gedient, den Autoverkehr zu fördern, ohne Rücksicht auf die sich daraus ergebenden Konflikte zwischen Fußgängern und Radfahrern, die sich die schmalen, in Zeiten der autogerechten Planung zum Teil verschmälerten Bürgersteige teilen mussten.

Vor etlichen Jahren wurde daher auch ein äußerst übler Bürgersteig„radweg“ beseitigt: Der „Radweg“ auf den beiden Gehwegen der Turmstraße zwischen Waldstraße und Beusselstraße. Die Auffahrt an der Ecke Waldstraße wurde vollständig zurückgebaut, das Pendant an der Beusselstraße mit einer Absperrschranke gesperrt.

Und nun? Vor wenigen Tagen sind die beiden oben genannten Bürgersteig“radwege“ wieder frisch markiert worden. Und das in einer Art, die es selbst in den finstersten Zeiten des „Auf-alle-Fälle-ein-Radweg-egal-wie“ nicht gegeben hat: Da ist die Auffahrt an der Waldstraße als Frontalauffahrt in Form einer S-Kurve gegen die wartenden Fußgänger in die Fußgängerfurt hinein gemalt worden (hier war ja vor Jahren die Auffahrt zurückgebaut worden). Und da ist bei der Abfahrt dieses „Radweges“ die Haltelinie ebenfalls in den Bereich der Fußgängerfurt gemalt worden. So sind Konflikte bzw. sogar Unfälle vorprogrammiert, denn wie soll z.B. ein blinder Mitbürger, der sich nach den vor Jahren neu gebauten Blindenleitstreifen richtet, erahnen, dass er plötzlich auf einem „Radweg“ steht? Und wie sollen die gerade im Bereich der Haltestelle markierten Fahrradsymbole zu verstehen sein? Soll damit – im Gegensatz zur StVO - suggeriert werden, dass die Fahrgäste beim Aussteigen strammzustehen hätten? Ein leider immer größer werdender Anteil von Radfahrern macht ja ihrem Spitznamen „Kampfradler“ alle Ehre, Rücksichtnahme kann man von ihnen nicht erwarten, eher brutales Durchsetzen ihrer angemaßten Rechte gegenüber den schwächsten Verkehrsteilnehmern, den Fußgängern.

Dieser Bereich ist ein örtlicher Schwerpunkt für Einkaufen und Dienstleistungen, entsprechend viele Fußgänger sind auf diesen Bürgersteigen und Fußgängerfurten unterwegs. Es sind übrigens die schmalsten Bürgersteige der Turmstraße, sie sind von Hauswand zu Bordsteinkante lediglich sechs Meter breit. Auf diesen Handtüchern haben Radfahrer nichts zu suchen, denn Unterstreifen (das ist der Bereich ab der Bordsteinkante) und “Radweg“ abgezogen verbleiben nur noch nicht einmal dreieinhalb Meter. Auf dem südlichen Bürgersteig stehen oft genug Trauben von Fahrgästen, die auf ihren Bus warten – da sollen auch noch Fahrräder durch? Die Straße hat dagegen dort drei bzw. vier Fahrspuren und gehört damit zu den wenigen breiteren Fahrbahnabschnitten der Turmstraße (üblich sind dort ja zwei mal drei Fahrspuren). Von Nord nach Süd sieht es folgendermaßen aus: Sechs Meter Bürgersteig mit Radweg, 12 Meter Fahrbahn, drei Meter Mittelstreifen, neun Meter Fahrbahn und sechs Meter Bürgersteig mit Radweg. Eine Bilanz klar zu Lasten der Schwächsten.

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Die bisher im Bezirk vorgestellten Planungen sahen etwas ganz anderes vor: Radspuren in Fortsetzung der schon markierten auf der Turm- und der Huttenstraße und zwei große Haltestellenkaps, um das Ein- und Aussteigen in zu erleichtern (vor allem die Haltestelle der M 27 auf der Nordseite ist ja immer wieder mit Lieferfahrzeugen voll gestellt). Diese Planungen sind auch von der Öffentlichkeit überwiegend positiv aufgenommen worden. Lediglich – so hieß es immer - die Verkehrslenkung Berlin hätte noch Bedenken wegen der Länge der Haltestellenkaps (der M 27 und der TXL fahren ja normalerweise mit Schlenkis), aber von Forderungen nach Wiederauferstehung verkehrspolitischer Kleinsaurier war nie die Rede.

Dieses offizielle Bürgersteig-Graffitti ist ein Affront gegen die Fußgänger!

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Text: Andreas Szagun, Fotos: Andreas Szagun, Jürgen Schwenzel

Nachtrag:
Hier wurde auch schon berichtet: "Es fährt ein Rad nach Nirgendwo".

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