Ari war mehr als eine Statue
Trauerblumen, wo einst Hoffnung stand. Seit einem Monat fehlt die Friedensstatue. Wie es dazu kam und warum das ein Verlust für alle ist.
Trauerblumen, wo einst Hoffnung stand. Seit einem Monat fehlt die Friedensstatue. Wie es dazu kam und warum das ein Verlust für alle ist.

Vor über einem Monat, am 17. Oktober, räumten früh morgens etwa 30 Polizist*innen im Auftrag des Bezirksamts Mitte die Friedensstatue Ari von der Ecke Bremer-/Birkenstraße. Der brutale Abbau bildet den bisherigen Höhepunkt in der langen, auch gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Bezirksamt und Korea Verband. Und sie zeugt davon, wie wenig sich die Politiker*innen aus Mitte und Berlin um demokratische Initiativen, geschichtliche Aufarbeitung, Zivilcourage und Mut scheren. Und wie feige sie vor Einmischung von Außen einknicken.
Der Korea Verband ließ die Bronzestatue vor fünf Jahren aufstellen – mit Genehmigung des Bezirksamts. Der Kampf für den Erhalt begann schon wenige Tage später, als das Bezirksamt seine Genehmigung plötzlich widerrief. Doch da hatte die Friedensstatue bereits begonnen, die Herzen vieler Moabiter*innen zu erobern. Sie erkannten in dem öffentlichen Kunstwerk ein Denkmal von unten, das nicht staatliches Gedenken verordnete, sondern von einer demokratischen Initiative getragen wurde. Die japanische Regierung kritisierte den Bau der Statue auch bald öffentlichkeitswirksam.
Symbol für Hunderttausende
Doch auch wenn die Symbolik der Statue aus koreanischen Traditionen abgeleitet ist, stand sie keineswegs – wie häufig kolportiert wird –- nur für das Leid koreanischer Frauen und Mädchen. Viele von ihnen wurden im 2. Weltkrieg zur Prostitution für die japanische Armee gezwungen. Doch waren auch Hunderttausende Frauen aus 14 anderen Ländern Süd-Ost-Asiens betroffen. Auch der Bezug zu Deutschland ist gegeben. So führten die militärischen Verbindungen zwischen Japan und dem nationalsozialistischen Dritten Reich zu entsprechenden deutschen Bordellen, auch, aber nicht nur, in Konzentrationslagern.
Viele migrantische Communities in Berlin unterstützen die Statue und nutzen Ari an ihren eigenen Gedenktagen. So findet hier zum Beispiel seit 2021 die jährliche Gedenkveranstaltung „In Memory, In Resistance“ statt, die an acht Menschen erinnert, die am 16. März diesen Jahres in der Gegend um Atlanta ermordet wurden. Selbst der Name „Ari“ stammt aus der Zusammenarbeit verschiedener Communities, er bedeutet auf armenisch „die Mutige“ und erinnert somit auch an den Genozid an den Armenier*innen 1915.
Druck von Außen
Schon bei der ersten großen Demonstration am 13. Oktober 2020, kurz nachdem das Bezirksamt die Genehmigung widerrufen hatte, mahnte eine Gruppe in Berlin lebender Japaner*innen die Politik, nicht auf den Druck der japanischen Regierung zu reagieren. Sie warfen ihrer Regierung vor, sich nicht um die Aufarbeitung eigener Kriegsverbrechen zu kümmern. Und tatsächlich finden sich zahlreiche Beispiele aus verschiedenen Ländern, in denen die japanische Regierung gegen ähnliche Statuen protestierte.
Im August 2024 stellte die Senatsverwaltung unter fragwürdigen Umständen auch das erfolgreiche Bildungsprojekt „Setz dich neben mich!“ ein. Jugendgruppen und Schulklassen aus Moabit und anderen Bezirken hatten die Geschichte der „Trostfrauen“ mit künstlerischen Mitteln bearbeitetet. Sie bastelten, töpferten, rappten, filmten, musizierten und stellten damit eine Verbindung zu ihrem eigenen Leben und ihrer eigenen Familiengeschichte her.
Was nicht passt, wird passend gemacht
Vor dem Abbau argumentierte die Politik mit Formalien. Und wo es die nicht gab, schuf sie sie. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte noch im April dieses Jahres festgestellt, dass eine Verwaltungspraxis, die Kunst im öffentlichen Raum grundsätzlich nur für zwei Jahre gestattet, nicht zu erkennen sei. Danach wurde eine Richtlinie verabschiedet, um Ari entfernen zu lassen. Kurz nach der Entscheidung im Eilverfahren desselben Gerichts rückte die Polizei an.
So stellt sich die Frage, wer in Berlin, in Deutschland erinnern darf. Was ist ein Denkmal? Die Geschichte der Eingewanderten gehört doch zur Geschichte Deutschlands dazu, wieso wird das Gedenken ihrer Traumata aus dem öffentlichen Raum verbannt?
Ich wünsche mir von Politiker*innen aus Mitte und Berlin mehr Mut, für demokratische Werte einzutreten und ihre Initiativen nicht nur zu verteidigen, sondern zu unterstützen. Ich wünsche mir, dass sie gegenüber Einmischung von Außen standhaft bleiben. Leider bleibt beides utopisch. Es klafft ein Loch in Moabit, an dem Menschen bis heute regelmäßig Blumen ablegen. Denn Ari bleibt wichtig, auch wenn sie nicht mehr da ist.
Für weitere Hintergründe schaut euch bitte den Artikel von Andreas Szagun an, einem ausgewiesenen Kenner japanischer Geschichte: „Kleines Mädchen, großer Wirbel“ von Oktober 2020.
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