Warum wir das Kino retten müssen

Die Berliner Kinos leiden. Die Besucher bleiben weg und das Geld fehlt gerade den kleinen Betreibern. Wenn die Kinos sterben, geht eine jahrhundertealte Tradition verloren. Und ein Stück Demokratie.

Warum wir das Kino retten müssen
Foto: Filmrauschpalast

Drinnen rollen die Räder des LKW über die Leinwand, draußen verladen riesige Kräne Container von Zügen und Schiffen auf LKWs. Der Dokumentarfilm A Parked Life folgt einem bulgarischen Fahrer auf seinen Touren durch Europa. Der Film läuft nahe des Westhafens und die Veranstaltung ist ausverkauft. Aber so erfolgreich wie hier laufen längst nicht alle Kinoveranstaltungen.

Foto: Kino für Moabit

Warum es sich lohnt, ins Kino zu gehen.

Veranstalter des Abends sind wir, Kino für Moabit, ein gemeinnütziger Verein, der seit 15 Jahren auf der Moabiter Insel und darüber hinaus ein Wanderkino organisiert. Damit knüpfen wir an die früheste Form des Kinos an, als es noch in Form des sogenannten „Cinema of Attractions“ Teil von reisenden Jahrmärkten war und visuell spektakuläre Kurzfilme aus aller Welt, damals vor allem der westlichen Welt, zu den Menschen brachte. Zu unserer Arbeit gehört aber mehr als nur die Organisation eines Ortes, der den Anforderungen für eine Kinovorstellung entspricht – bei vielen Vorführungen gibt es im Anschluss ein Publikumsgespräch mit einem Gast. 

Mit diesem Programm ist Kino für Moabit ein kleiner Teil der einzigartigen Kinolandschaft Berlins. Das Moviemento und die Tilsiter Lichtspiele sind die ältesten noch aktiven Kinos der Stadt. Sie bestehen seit weit über 100 Jahren und haben somit die Kaiserzeit, die Weimarer Republik, das Dritte Reich, die Teilung und Wiedervereinigung von Berlin erlebt. Und natürlich zwei Weltkriege. 

Aber nicht nur Politik und Gesellschaft veränderten sich mit der Zeit. Auch die Filmkultur mit den entsprechenden technischen Neuerungen zwang die Kinos, sich anzupassen. Vom Stumm- zum Tonfilm, von Schwarz-Weiß zu Farbe, von Zelluloid zum Digital Cinema Package, von einer Monopolstellung für audiovisuelle Inhalte zur Koexistenz mit Fernsehprogramm und Streamingdiensten.

Aktuell gilt Berlin mit etwa 250 Sälen verteilt auf circa 100 Kinos als deutsche Kinohauptstadt, es gibt weltweit wenige Städte mit einem so großen Angebot. Diese Zuschreibung bezieht sich aber nicht nur auf die Anzahl, sondern auch auf die Vielfalt der Kinos. Denn ein breit aufgestelltes Filmangebot erweitert nicht nur die Sehgewohnheiten der Bürgerinnen und Bürger, sondern bietet auch Kino für alle Altersgruppen, Milieus und Geschmäcker. 

Foto: David Ruf

Grob lassen sich die Berliner Kinos in drei Gruppen unterteilen: die Multiplexe für die großen Blockbuster, die Programmkinos mit Kiezangebundenheit und einem vielfältig kuratierten Programm sowie die Kommunalen Kinos mit einem besonderen Anspruch an Filmbildung und Austausch. 

Moabit ist tendenziell unterversorgt, muss sich aber keinesfalls verstecken. Mit dem Filmrauschpalast in der Lehrter Straße, dem oben beschriebenen Wanderkino und seit neuestem auch dem Nachbarschaftsprojekt „Kino am Block“. Gemeinsam haben alle, dass sie zu einem großen Teil durch ehrenamtliche Arbeit betrieben werden.

Gleichzeitig reicht gerade bei Programmkinos der Profit aus den Umsätzen oft nicht aus für größere Rücklagen und damit eine unternehmerische Sicherheit. „Wenn es gut läuft, dann reicht es mal für einen Eimer Farbe, um die Wände neu zu streichen oder für einen neuen Popcornwärmer“, sagt Christian Bräuer, Vorstandsvorsitzender der AG Kino – Gilde für Filmkunsttheater e.V. „Die Erlösstruktur ist nicht ausreichend für eine Rücklagenbildung. Keiner zahlt Eintritt für eine neue Lüftung oder einen neuen Brandschutz“, sagt er und stellt fest „Kinos sterben langsam.“

Eine mögliche Zusatzeinnahme wäre die öffentliche Kinoförderung. Und die ist als Kulturförderung vergleichsweise günstig. Insbesondere, weil Kinos milieuübergreifend zu den meistbesuchten kulturellen Freizeitveranstaltungen gehören. Im Kino wird die angestrebte Möglichkeit der kulturellen Teilhabe für alle Bürger:innen am effizientesten erreicht, auch durch die Vielzahl der Kinos, die Vielfalt der Programme und den niedrigschwellige Zugang. 

Foto: David Ruf

Gleichzeitig sind bei Filmvorführungen signifikante Rückgänge der Besuchszahlen zu vermerken. 2019 besuchten die Berliner:innen durchschnittlich knapp vier Mal pro Jahr ein Kino, 2023 sind es nur noch knapp 2,5 Besuche. Um dem entgegenzuwirken, ist es wichtig, sowohl die Vielfalt der Kinos und des Filmangebots als auch die Zugänglichkeit zu erhalten. Konkret: Durch Kinos, die in der Nähe sind und Preise, die man sich leisten kann. Christian Bräuer von der AG Kino betont auch die Relevanz für den gesellschaftlichen Austausch, den es zu bewahren gilt: „Kulturorte sind Orte der Sicherheit. Wenn illiberale Kräfte erstarken, Unternehmen uns Entscheidungsfreiheit nehmen und die KI sowieso nur Müll produziert, brauchen wir Arthouse-Kinos mehr denn je“, sagt er. Denn Programmkinos seien Marktplätze freier Ideen.

Denn nicht nur die Menschen, auch die Filme brauchen Kinos. Blockbuster profitieren von der großen Leinwand und herausragenden Soundsystemen, viele kleinere Filmproduktionen bleiben ohne Kinovorstellungen in den Programmkinos und die zugehörige Kommunikationsarbeit komplett unsichtbar. Gleichzeitig ist Kino immer noch ein anderes Film-Schauen als über Bildschirm oder Beamer – nicht nur schafft die Geselligkeit eine besondere Atmosphäre, es passiert selten, dass Menschen sich eine Filmlänge lang Zeit nehmen, um sich vollständig auf eine Sache einzulassen.

Deshalb – genießt, was für Schätze im lokalen Kinoprogramm zu entdecken sind und welche spannenden Veranstaltungen geboten werden!

Transparenzhinweis: Charlotte Münstermann ist Mitglied von Kino für Moabit e.V.

Klasse! Sie haben sich erfolgreich angemeldet.

Willkommen zurück! Sie haben sich erfolgreich angemeldet.

Sie haben sich erfolgreich für moazin angemeldet.

Erfolg! Überprüfen Sie Ihre E-Mail auf den magischen Link zum Anmelden.

Erfolg! Ihre Rechnungsinformationen wurden aktualisiert.

Ihre Abrechnung wurde nicht aktualisiert.