Martin Pohlmann - Dorfkneipier, Kufa-Vorstand und Politiker

Martin Pohlmann - Dorfkneipier, Kufa-Vorstand und Politiker

Im Interview: Martin Pohlmann vom „Café Moab“, Quartiersrat und Direktkandidat von Die PARTEI

Auf einen Kaffee im „Café Moab“ direkt neben der Kulturfabrik (Kufa) in der Lehrter Straße. Martin Pohlmann hat Feierabend, denn das Tagesgeschäft ist vorbei. Er ist sehr bekannt im Kiez, nicht nur als Gastronom und Kufa-Aktiver, sondern auch für seine politische Tätigkeit für Die PARTEI. Um seinen Weg zur Arbeit werden ihn so manche beneiden, denn der könnte nicht kürzer sein: Martin wohnt über seinem Betrieb, und zwar seit Ende 2004, also schon über 20 Jahre lang. Damals übernahmen er und seine damalige Partnerin das vorherige Café, das ein Nachbar auf- und ausgebaut hatte. Das Haus war lange Zeit unsaniert und sollte abgerissen werden. Mitte der 1990er Jahre wurde es dann doch saniert. Damals entstand die Idee, im Erdgeschoss Gewerberäume für die Nachbarschaft einzurichten.

Aus dem Münsterland nach Berlin
Martin stammt aus Rheine an der Ems und ist im Münsterland aufgewachsen. Nach dem Abitur zog er 1993 nach Berlin. Seine Schwester war schon 1988 gekommen, und er landete zuerst in einer WG in der Bremer Straße. „Das war schon bei meinen Berlinbesuchen zuvor der erste Anlaufpunkt. Und bei einem dieser Besuche kam ich auch zum ersten Mal in die Kufa. Das muss kurz nach ihrer Eröffnung 1991 gewesen sein“, erinnert er sich. Martin lernte das „Theaterdock“ in der Kufa kennen und wirkte dort ein paar Jahre lang mit.

'das tun auf der bühne', Foto: privat

Große Freiräume für Kultur in den Neunzigern
Er studierte Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin (FU). Neben dem Studium arbeitet er bei mehreren Theatern als Regieassistent. Gern erinnert sich Martin an die Freiräume, die es damals in den 90er Jahren in Berlin und speziell in Moabit gab: “Wir hatten hier eine komplette Fabriketage von 300 qm für Theater und Proben zur Verfügung. So etwas gibt’s heute eher selten.“ … und an seine erste Uraufführung in der Kufa - das war „das tun auf der bühne“ des österreichischen Autors Reinhard Priessnitz - sowie an die Lesereise „Meiers schöner Fleischsalon“. Damals war es üblich, dass die Theatermacher auch praktisch Hand anlegten und z.B. die Fenster selbst abdichteten. Martin ist angetreten dafür, dass solche bedrohten Freiräume erhalten bleiben und engagiert sich deshalb seit 2023 wieder offiziell im Vorstand der Kufa.

Seit fast 30 Jahren in der Lehrter Straße
Er ist sehr mit dem Kiez um die Lehrter Straße verwurzelt. Zuerst wohnte er auf der anderen Straßenseite, denn da war grad ein Zimmer frei bei jemandem von der Kufa. Dann zog er zusammen mit seiner damaligen Partnerin in das Haus Nr 48 c. Und als sie schwanger wurde, ging es 2004 von dort aus in die Nr 36. Zeitgleich übernahmen sie beide das Café. Seit insgesamt fast 30 Jahren lebt Martin nun in Lehrter Straße.

Torwart-Trainer beim Moabiter FSV
Er ist auch Ehrenmitglied und Torwart-Trainer beim Moabiter FSV, wobei die Abkürzung FSV für „Frauensportverein“ steht. Er selbst begann seine Fußballerkarriere als Jugendlicher bei den „Sportfreunden Gellendorf“ in Rheine. Seine Tochter spielte beim Moabiter FSV im Poststadion mit, und Martin war zwei Jahre lang dessen Vereinsvorsitzender und sechs Jahre lang Trainer der Jugendmannschaft.

Café Moab: von der Kneipe zum Mittagslokal
Viele Nachbarn im Haus und rundherum kennen sich gut und wohnen schon länger hier, berichtet Martin. Als einen Grund dafür vermutet er, dass das Haus Nr. 36 nicht der Gewinnmaximierung unterliegt, weil es der Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) gehört, einer gemeinnützigen GmbH. In seinem Café hat er viele Stammgäste, eigentlich fast nur solche. Sie wohnen hier oder arbeiten in den Büros der Gegend. Viele Leute kommen mehrmals. In der Anfangszeit war sein Café eher eine Kneipe und Bar für das abendliche Bier. Damals gab es Veranstaltungen, Partys und Pokerturniere. Vor etwa 10 Jahren, als die Kantine im nahe gelegenen Werkhof dicht machte, gab es dann verstärkt die Nachfrage nach Mittagstisch.

Tägliches Kochen für bis zu 50 Gäste
Martin fing als Autodidakt mit dem Kochen an. Sandwiches waren schon vorher im Angebot, und dann startete er mit einer Kartoffelsuppe als erstem warmen Gericht. „Das war zuerst ein Topf mit 16 bis 20 Portionen, und der war schnell leer.“ Deshalb führte er bald ein zweites Gericht ein. Aktuell kommen bis zu 50 Gäste zum Mittagessen, und von Montag bis Freitag stehen jeweils vier Tagesgerichte auf der Speisekarte.

Von Linseneintopf bis Curry
Heute waren das z.B. Penne mit Peperonata, klassischer Linseneintopf mit oder ohne Wiener Würstchen, Hühnchen-Curry und vegetarisches Curry. Ein paar Gäste kommen gezielt, wenn Martin seine Klassiker anbietet: Montags gibt’s immer Nudelgerichte wie Penne Gorgonzola und Bolognese und mittwochs ist immer Curry-Tag. Los geht’s um 12, und ab 14 Uhr sind viele Gerichte schon ausverkauft. Das Mittagscafé bietet 40 Plätze drinnen und zwischen 20 und 30 Plätze draußen. Tagsüber darf Martin auch die Terrasse der Kufa nutzen, weil deren Café ja erst um 17 Uhr aufsperrt. Nach wie vor stemmen er und seine frühere Partnerin den Betrieb zu zweit ohne weiteres Personal. „Bei uns bestellt man am Tresen und bekommt das Essen zum Tisch gebracht. Wir sind eher eine Kantine und ein sozialer Ort als ein Restaurant.“

Was meint Martin als Kufa-Vorstandsmitglied zu den finanziellen Kürzungen des Berliner Senats?
Die Kufa ist nicht direkt betroffen, weil sie sowieso keine institutionelle Förderung bekommt. Indirekt trifft es sie jedoch auch stark, denn einige Projekte und Veranstaltungen, die für 2025 angedacht oder schon geplant waren, mussten abgesagt werden, weil Förderprogramme gestrichen oder stark eingekürzt wurden. Auch das Sommerfest, zu dem 2024 rund 2000 Gäste kamen, musste für 2025 abgesagt werden. Es kann aber vielleicht im Herbst nachgeholt werden.

Geld für die Sanierung der Kufa
Die Kufa als „starken Partner“ im Quartiersrat Moabit-Ost (QR) vertritt Martin seit 2023. Mit Unterstützung des Quartiersrates wurde beschlossen, der Kufa rund 30.000 Euro aus dem Baufonds des Quartiersmanagements Moabit-Ost (QM) zur Verfügung zu stellen. Diese werden verwendet, um eine so genannte BPU (Bauplanungsunterlage) durch ein Architekturbüro erstellen zu lassen. Erst mit einem solchen Dokument können dann in der Folge Lottomittel für die weitere Sanierung des Kufa-Gebäudes abgerufen werden. Mit Geld aus dem Baufonds wurde auch der Ausbau der Hauswerkstatt „35 services“ neben der Kufa ermöglicht.

Der Wirt im Gespräch, Foto: privat

Martin im Quartiersrat Moabit-Ost
Aus dem Aktionsfonds des QMs konnte zudem der Nachbarschaftsflohmarkt auf dem Quartiersplatz in der Lehrter Straße gefördert werden. Da gab es ein kleines Kulturprogramm auf einer Bühne, auf der eine Straßenmusikerin aus dem Mauerpark auftrat und auch eine Cellistin, die Stammgast in Martins Café ist. Dort veranstaltete der Quartiersrat 2024 seine Weihnachtsfeier. Die war verbunden mit einer Führung von Martin durch die Kufa. Der Quartiersrat dient neben der Vergabe der Fördermitteln vor allem der Vernetzung der Nachbarschaft und der hier im Viertel tätigen Initiativen. Nun wird überlegt, wie es damit weitergeht, wenn das QM im Jahr 2027 endet. Martin erzählt von der QR-Sitzung Mitte Juni 2025, bei der darüber nachgedacht wurde, wie man das Gremium künftig als Forum für alle Kiezinteressierten öffnen kann.

Dorfkneipier kandidiert für Satire-Partei „Die PARTEI“
Initialzündung für seine politische Tätigkeit bei der 2004 gegründeten Satire-Partei „Die PARTEI“ war ein Stand dieser Partei am 1. Mai 2020 auf dem Kreuzberger Mariannenplatz. Dort sprach Martin mit dem Parteigründer und „Titanic“-Redakteur Martin Sonneborn. Jahre später 2021 stieg er „als Dorfkneipier“ - so nennt er sich selber - richtig bei „Die PARTEI“ ein und ließ sich als Direktkandidat im Wahlkreis 74 Berlin-Mitte aufstellen. Bei der Bundestagswahl 2021 erhielt er in Moabit knapp zwei Prozent der Stimmen. 2025 waren es etwas weniger. Das lag wohl daran, vermutet er, dass die Linkspartei stark mobilisiert hatte und thematisch starke Überschneidungen mit Die PARTEI aufwies. „Wir sind eine populistische Protestpartei“ bringt er es auf den Punkt.

Bundestagswahlkampf 2025, Foto: privat

Nahbarere Politik gefragt
Der 52-jährige findet gut, alles verknüpfen zu können: sein Café, das Leben im Kiez, die soziokulturelle Arbeit - in der Kufa und darüber hinaus - sowie den Performance-Charakter seiner Partei. Interessanter Nebeneffekt: durch Martin erscheint Politik in Moabit nahbarer, und mehr Menschen scheinen sich für Politik zu interessieren. Parteimitglied und Schriftstellerin Sybille Berg holte er zu einer Diskussionsrunde beim Sommerfest 2024 in die Kufa. Am 13. Juli wird es dort einen Vortrag zum Thema „Nachhaltiges Bauen“ geben, und am 28. September 2025 lädt Die PARTEI zu einer Wahlparty ins Kreuzberger SO36. Der Saal wurde frühzeitig gebucht, weil das der eigentliche Termin für die Bundestagswahl war, doch dann kam durch das vorzeitige Ende der Ampel-Regierung bekanntlich alles anders. Gefeiert werden soll trotzdem.

„Die Nachbarschaft ist sehr wichtig für’s eigene Leben"
Eine stabile Verortung ist für jeden Menschen wichtig, oder wie Martin es formuliert: „Die Nachbarschaft ist sehr wichtig für’s eigene Leben. Und je älter man wird, um so wichtiger wird sie.“ In diesem Sinne wünscht er sich für sein im Umfeld sehr wertgeschätztes „Café Moab“, dass die Verhandlungen über eine Verlängerung des Mietvertrages positiv verlaufen. Und dass die Kufa irgendwann fertig saniert wird und komplett genutzt werden kann. Dass die Freiräume für künstlerisches Schaffen in der Kufa langfristig erhalten bleiben, ist sein Wunsch.

Kontakt zu Martin Pohlmann - "Café Moab" / Kufa / Quartiersrat / Die PARTEI:
Café Moab Mo-Fr ab 12 Uhr am Tresen
www.kulturfabrik-moabit.de
www.moabit-ost.de
Instagram: @kanzlerin_der_herzen

Text & Fotos, bis auf die anders gekennzeichneten Bilder: © Gerald Backhaus 2025

Zuerst erschienen auf der Webseite des Quartiersmanagements Moabit-Ost mit weiteren Fotos: https://www.moabit-ost.de/aktuelles/interviews-von-gerald-backhaus/martin-pohlmann-vom-cafe-moab-quartiersrat-und-direktkandidat-von-die-partei-august-2025

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