Merhaba Discount: Schönen Feier und Abend
Man weiß erst, was man hatte, wenn es fort ist. Mit dem Merhaba Discount geht ein Herzstück des Moabiter Lebens verloren. Aber die Menschen werden seiner gedenken.
Trotz Nazis und Hinrichtungen. Das ehemalige Zellengefängnis bietet Ruhe und Entspannung mitten in Berlin. Nur vergessen soll man dabei nicht.
Die Stille überrascht mich. Dabei ergibt es Sinn, dass in den Geschichtspark Ehemaliges Zellengefängnis keine Geräusche schallen. Immerhin wurde dieser Ort einst dafür geschaffen, dass Menschen nichts von äußeren Einflüssen mitbekommen. So wie ich mir nur vorstellen kann, welches Leid hier einmal herrschte. Und wie gut es mir im Vergleich geht. Ich komme vom Hauptbahnhof, wo es nur so von Menschen wimmelte. Auch als ich ihn Richtung Europaplatz verließ und die Straße überquerte, um zum ehemaligen Zellengefängnis zu kommen, waren überall Fußgänger. Alles ist so voll, wie es an einem Samstag im August im zentralen Teil Berlins nun mal ist. Doch nun stehe ich hier im Park und die Menschen fehlen. Es ist grün und leer. Was eine Mauer so ausmachen kann.
Mir geht es mit dieser relativen Ruhe sicher besser als jenen, die einst an diesem Ort in Isolationshaft saßen. Mitte des 19. Jahrhunderts als preußisches Mustergefängnis erbaut, kamen unter anderem politische Häftlinge hier in Einzelhaft. Später nutzte auch die Gestapo das Gefängnis in der Lehrter Straße. So inhaftierte sie hier etwa die meisten der Attentäter vom 20. Juli 1944 . Auch die Alliierten nutzten das Gefängnis und richteten hier von 1946 bis 1949 mindestens zwölf Menschen hin.
Nach Einstellung des Gefängnisbetriebs Mitte und Abriss der meisten Gebäude Ende der 50er Jahre wurden Teile der Fläche als Kleingartenanlage oder Parkplatz genutzt. In den 00er Jahren kam dann dieser Park hierher. Wahrscheinlich, weil aus dem Lehrter Bahnhof der Hauptbahnhof geworden war und Berlins Gäste lieber von einem Park als einer Ruine begrüßt werden sollten.
Obwohl ich mitten in Berlin bin, sind hier kaum Menschen und nicht einmal der Straßenlärm stört. . Eine Gruppe Männer sitzt auf einer Grünfläche, ein älterer Herr sitzt auf einer Bank, eine Dame schiebt ihr Rad durch den Park. Später kommt noch ein junges Pärchen, aber viel mehr ist hier nicht los. Das kenne ich aus Berliner Parks bei 25 Grad an einem Samstag sonst anders.
Gut, die Eingänge sind etwas versteckt: Vom Hauptbahnhof kommend verdeckt den Eingang eine Tafel. Der an der Lehrter Straße ist weit abgelegen und auch der an der Minna-Cauer-Straße ist alles andere als intuitiv. Und ja, zum ruhigen Entspannen gibt es in der näheren Umgebung sicher besser geeignete Orte, etwa den Moabiter Werder oder den Park am Nordhafen. Allerdings ist vielleicht das dann gerade die Stärke des ehemaligen Zellengefängnisses: Hierher kommt niemand, deshalb ist es leer und entspannt – trotz des ganzen Hauptbahnhof-Trubels nebenan.
Ich sehe mir noch die denkmalgeschützten Mauern und einige der erhaltenen Konstruktionen im Park an. „Von allem Leid, das diesen Bau erfüllt, ist unter Mauerwerk und Eisengittern ein Hauch lebendig, ein geheimes Zittern…“, steht an einer der Wände geschrieben, ein Zitat aus den „Moabiter Sonetten“. Die hat der NS-Widerstandskämpfer (und zuvor Günstling von Rudolf Heß) Albrecht Haushofer geschrieben, als er hier inhaftiert war – und bevor er noch im April 1945 hingerichtet wurde Eindrucksvoller noch als die vor dem Park platzierten Gedenktafeln weist dieser Schriftzug auf das Elend hin, das an diesem Ort einst herrschte. Und so fällt es mir schwer, die Leere und Ruhe hier wirklich zu genießen. Es gelingt mir trotzdem für einige Momente, bevor ich mich wieder hinauswage, in den Lärm und das Getümmel auf der Invalidenstraße.
Alle Bilder und Text von Gastautor
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