Bleibt die Lehrter eine Wohnstraße?

Für das schon jahrzehntelang brachliegende Grundstück Lehrter Straße 12-15 zwischen der Indonesischen Botschaft und dem Selbsthilfehaus Nr. 11 wurde schon viel geplant, doch nichts davon verwirklicht.  Aber plötzlich geht es ganz schnell. Ohne irgendwelche Information geschweige denn Beteiligung der Nachbarschaft scheint alles bereits entschieden.

A&O Hostels wollen hier bauen: ein Hostel mit 750 - 800 Betten.  A&O Hostels gibt es in Berlin am Bahnhof Zoo, am Ostbahnhof und am Ostkreuz. A&O Hostels gehören zu den Billiganbietern und setzen auf jugendliche Rucksacktouristen, Betten ab 10 Euro, es gibt aber gleichzeitig (außer am Zoo) auch Hotel-Zimmer. Die Architekturzeichnung der Fassade, die die gesamte Breite der Baulücke schließen soll, ist schlicht, um nicht zu sagen langweilig - ein Fenster reiht sich ans andere. Sechs oder sieben Stockwerke, so hoch wie das Gewerbehaus der Indonesischen Botschaft.

Damit wird das Gebäude 2 Stockwerke höher als das angrenzende Wohnhaus Lehrter Straße 11 und als der nördliche Flügel des denkmalgeschützten Wohnhauses Lehrter Straße 6 - 10.  Nach hinten soll sich etwa mittig auf dem Grundstück ein T-förmiger Flügel erstrecken. Eine Buseinfahrt ist an der Grundstücksgrenze zur Lehrter 11 vorgesehen. Dafür müsste die alte Kastanie dort gefällt werden. Bewohner der Lehrter 6 - 10 werden die Verkehrs- und Parkflächen für Busse und PKWs direkt vor ihren Fenstern haben, ebenso wie den Freizeitbereich - vielleicht Sportflächen - hinten auf dem Grundstück.

Das Stadtplanungsamt hat den Bauantrag vom 30. Juni bereits mit einer positiven städtebaulichen Stellungnahme an die Genehmigungsbehörde weitergeleitet. Das ist Nachbarn und Aktiven aus dem Betroffenenrat Lehrter Straße unverständlich, denn sie gingen bisher davon aus, dass die Lehrter Straße als Wohnstraße mit einer Mischung aus Wohnen und Gewerbe weiterentwickelt werden soll. Doch hat das Bezirksamt anscheinend in den vergangenen Jahren versäumt, dafür die rechtliche Grundlage zu schaffen. Ein Bebauungsplan (B-Plan II-138) wurde vor vielen Jahren mal aufgestellt, um das Wohnen in der Lehrter Straße zu sichern. Irgendwann wurde er nicht mehr weiter bearbeitet, weil es Altlasten im Boden gibt. Das ist mehr als ärgerlich. In diesem Plan sollte zum Beispiel festgelegt werden, dass die Höhe der Bebauung sich an das denkmalgeschützte Gebäude anpassen sollte und dass mindestens 25% Wohnanteil für das Vorderhaus festgelegt wird.

Das Grundstück gehört dem Liegenschaftsfond, der es für das Land Berlin verkauft. Geht es dem Land Berlin nur noch darum Geld einzunehmen, wie auch für die Grundstücke am Humboldthafen, statt für die Zukunft vorzusorgen? Obwohl sich bei einer Bürgeranfrage erst vor wenigen Monaten alle Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlung Mitte für die Stärkung des Wohnens in der Lehrter Straße ausgesprochen haben, ist unklar, ob es noch eine Möglichkeit gibt, dieses Bauvorhaben auf eine wohnverträglichere Größe zu reduzieren. O-Ton Bezirksamt: "Seien Sie froh, dass keine Fabrik dort gebaut wird. Das Gebiet ist nach Baunutzungsverordnung ein beschränktes Arbeitsgebiet." Am Donnerstag, den 18. September findet die nächste BVV in der Parochialstraße 1-3 statt. Hier werden die Nachbarn eine Bürgeranfrage stellen.

Auch das Parkhaus in der Lehrter Straße 1 soll in Kürze abgerissen werden. Schon zu April wurde es entmietet. Hier ist planungsrechtlich Kerngebiet ausgewiesen, das heißt es darf auch 13 oder 15 Stockwerke hoch gebaut werden und es gibt keine Nutzungsbeschränkungen. Hier ist ein Hotel mit Tiefgarage geplant, doch liegt laut Stadtplanungsamt noch kein aktueller Bauantrag vor.  Motel One scheint hier bauen zu wollen. Von denen gibt es bereits vier in Berlin: am Alexanderplatz in der Diercksenstraße, in der City-West in der Kantstraße, am Moritzplatz und in Kleinmachnow. An dieser Stelle, fast direkt gegenüber des Hauptbahnhofs ist der Platz für ein Hotel wohl richtig.

Nachtrag:
Eine Reportage noch von 2006 aus dem Tagesspiegel "Es hält ein Zug im Irgendwo".

Über langen Stillstand, Kiezgefühl und Veränderungen in der Lehrter Straße, auch über das Hostel und die Lehrter 11 (Ortsbesichtigung Nähe Hauptbahnhof, taz).

Reportage im tip-magazin.

Demo gegen Gentrifizierung, Mediaspree, Route 6 aus der Lehrter Straße (taz).

Das MieterEcho 2011 zu luxemburgischen Investoren in der Lehrter Straße

Ein schönes Foto der Wand (Bevor die Touristen kamen) von Jonna unterwegs.

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