„Stille Performance“ in der Rathenower Straße

Gedenken an die Deportation von jüdischen Nachbarn

Vor zwei Jahren hat die Initiative „Sie waren Nachbarn“ die Namenlisten der etwa 1.800 deportierten Jüdinnen und Juden aus Moabit veröffentlicht. Viele Moabiter standen danach vor den Listen und suchten, ob auch aus ihrem Haus oder ihrer Straße Menschen in die Vernichtungslager verschleppt wurden. Am 14. November, dem 72. Jahrestag der Deportation zweier Nachbarinnen, erinnerten heutige Bewohner der Thomasiusstraße mit einer Feierstunde und Kerzen an sie. In dieser Straße, aus der 91 Menschen deportiert wurden, wollen heutige Bewohner mit Stolpersteinen an alle Opfer erinnern. Es werden noch Paten gesucht. Kontakt: Oliver Geiger, mail: stolpersteine.moabit@gmx.de .

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Bereits am 10. November, nach Abschluss der diesjährigen Aktionstage „Ihr letzter Weg“ hat ein Mitglied dieser Initiative eine stille Erinnerungs-Performance in der Rathenower Straße beendet. Aus seinem Nachbarhaus wurde am 27. November 1941 die 54jährige Ella Neumann, geb. London nach Riga deportiert. Mehr konnte er bisher nicht über sie herausfinden.

Zwei Wochen lang hatte Ralf G. Landmesser Passanten mit zunächst rätselhaften Zeichen und Worten neugierig gemacht. Am 9. November hat er die Informationen über Ella Neumann vervollständigt und zum Abschluss die Namen, das Alter und die Deportationsorte mit Kreide vor den Hauseingängen in der Rathenower Straße auf den Gehweg gemalt, Grabkerzen aufgestellt und Flyer in den Hauseingängen verteilt. Aus folgenden Häusern wurden teilweise mehrere Menschen deportiert: Nr. 5, 8, 24, 28, 30, 42, 62, 74.

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Über die Reaktion von Nachbarn berichtet Landmesser folgendes: “Ich konnte zwei junge Männer, die aus der 24 kamen, beobachten, wie sie aufgrund der Kreidemitteilungen auf englisch heftig miteinander argumentierten. Eine junge Frau aus dem Haus 42, in dem es die meisten Opfer gab, hatte unseren Flyer schon und erzählte mir, dass ihr Vater sie als streng gläubiger Moslem schon in ihrer Kindheit intensiv auf das Schicksal der deportierten jüdischen Menschen hingewiesen habe. Sie lief extra nach oben um Feuer für meine Kerze zu holen, denn mein Feuerzeug war gerade leer. Sie zeigte sich tief beeindruckt, dass damals quasi das halbe Haus deportiert wurde und lobte unsere Aktivitäten. Aus dem Haus 62 kamen während meiner Schreibaktion zwei Schwarzafrikaner heraus, die von mir die Flyer erhielten und sich tief betroffen zeigten. Eine Frau sprach mich vor der Nr. 5 an und fragte, ob es auch in der Nr. 7 Juden gegeben hätte, dort wohne sie. Nein, aber im Nachbarhaus 8, wo jetzt die ARAL-Tankstelle ist, gab es vier, die verschleppt wurden. Ein Nachbar aus meinem Haus ging am späten Abend die Straße ab. Die Aktion hat ihn tief beeindruckt.

Landmesser hofft, dass die Aktion viele Leute erricht hat. Vielleicht ergreifen einige von sich aus die Initiative und lassen zum Beispiel Stolpersteine verlegen.

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