Wettbewerb Neuplanung Kleiner Tiergarten
Wider den Unsinn eines landschaftsplanerischen Wettbewerbs Besser reparieren und pflegen statt neu erfinden und vergammeln lassen
Es begab sich zu einer Zeit, als wieder einmal Gelder aus verschiedenen fremden Töpfen die Phantasie der politisch Verantwortlichen beflügelten, in Form eines Programms „Aktive Stadtzentren“. Der Kleine Tiergarten hätte so schlechte Aufenthaltsqualitäten und bedürfe dringend einer Aufwertung, um damit auch das aktive Stadtzentrum Turmstraße aufzuwerten. Doch was soll an ihm denn so schlimm sein?

Nun wahrlich, er sieht nicht schön aus. Aber liegt das an einer schlechten Planung von Willy Alverdes? Nein, auch der schönste Garten wird zum wild-verdreckten „Biotop“, wenn man ihn nicht pflegt. Die Wasserspiele sind sämtlich teildemontiert, ein Wasserbecken gar zum Pflanzbeet für Büsche umgenutzt und die Wege größtenteils zugewuchert. Die ehemalige Ziegelsteinmauer am Becken ist einem langweiligen Legi-Zaun gewichen. Fehlende Pflanzenpflege hat zu Wucherungen und Unübersichtlichkeiten geführt, ehemalige Sommerblumenbeete sind zu Pflanzflächen für sichtversperrende, aber natürlich pflegeleichte Büsche geworden. Alverdes´ Ideen sind kaum noch zu erkennen. Wohl dem, der die Anlage noch in ihrer vollen Schönheit kennt und nun traurigen Blickes durch ungepflegte Anlagen gehen muß - er kann sich wenigstens noch erinnern!

Was haben wir zu erwarten? Etwa wieder eine selbstverliebt-verkopfte Gartenplastik wie im Falle des Tilla-Durieux-Parkes oder gar eine „Schützengrabenanlage“ wie auf dem Lenné-Dreieck? Entworfen von selbsternannten Künstlern, die ihr Werk, aber nicht den Nutzen für die Bürger (die ihn schließlich bezahlen!) im Auge haben und vielleicht sogar bei erforderlichen Veränderungen auf ihr Urheberrecht pochen?
Was sagte Willy Alverdes zu seinen Planungen, bei denen er den Baumbestand aus Gustav Meyers Planung übernahm? „Da besagt es wenig, ob der Garten geometrisch klar, sentimental romantisch oder sonstwie gestaltet ist. Wertmesser für seine Güte sind die Beziehungen, die sich zwischen Bewohner und Gartenumwelt anbahnen. Unter Wahrung aller Rücksichten, die Landschaft, Ort und Mitmensch von einer Gartenschöpfung fordern, muß der Garten auf seine Bewohner abgestimmt sein. Ist er es nicht, leben beide aneinander vorbei und der Garten hat seinen Sinn verloren.“

Entsprechend plante er die Umgestaltung der durch den Krieg stark mitgenommenen Gartenanlagen im Bezirk Tiergarten, immer mit Rücksicht vor allem auf Kinder, alte Menschen und den Entspannung suchenden Menschen allgemein. Dazu sollten diese Parkanlagen möglichst gegen die Straßen abgeschirmt sein und Sitzgelegenheiten immer „anziehende Motive für die Betrachtung“ bieten, egal ob Einzelpflanze, Beete, Durchblicke oder Springbrunnen. Alverdes war ein Pflanzenkenner (er kam aus einer Gärtnerfamilie) und er beachtete die Regeln der Pflanzensoziologie, also des gedeihlichen Zusammenlebens von verschiedenartigen Pflanzen. Insbesondere der östliche Teil des Kleinen Tiergartens ist mit einer Verschiedenartigkeit gestaltet worden, die manch anderem Park fehlt. Natürlich hat Alverdes nicht nur die Pflanzen arrangiert, sondern auch zum Beispiel die Wasserspiele entworfen.
Stellt den Park so wieder her, wie ihn Alverdes geplant hatte!

Was sollte nun geschehen? Die Wiederherstellung der Anlage muss oberste Priorität haben, denn an den Bedingungen, die zu ihrer Planung geführt haben – ungenügende Ausstattung Moabits mit wohnungsnahem Grün, schlechte schnelle Erreichbarkeit anderer und größerer Parkanlagen u.s.w. – hat sich nichts geändert. Die abgeteilten Sitzecken, Skatspielecken, Spielplätze u.s.w. finden auch heute ihre Nutzer in jungen Familien, älteren Menschen und allgemein all denen, die für einen Moment Ruhe und Entspannung suchen. Man muss daher das Rad nicht wieder neu erfinden (Wettbewerb), mit viel Geld eine Umgestaltung bezahlen, die dann wieder sich selbst, schlimmstenfalls den Vandalen, überlassen wird. Ein Garten, ein Park muss gepflegt werden – wer diesen Grundsatz nicht beachten will, sollte kein Geld für Wettbewerbe und ähnliches ausgeben, es wäre herausgeworfenes Geld! Das Geld, das man für Wettbewerb und Realisierung ausgeben will, sollten man besser in die Wiederherstellung und weitere Pflege der Alverdesschen Lösung stecken.
Ebenso verfehlt wäre es, einen breiten Radweg durch den Park anzulegen: Als Fußgänger hätte man dann nicht nur Alt-Moabit und die Turmstraße als Verkehrstrassen, sondern auch noch eine Rennpiste für Kampfradler. Die Turmstraße ist breit genug, um dort einen Fahrradstreifen abzumarkieren – das wäre auch im Sinne der Radfahrer, die ihre Ziele ja meist an der Straße und nicht im Park haben.
Stellt den Kleinen Tiergarten in der Planung von Alverdes unter Denkmalschutz!
Der Park sollte – nachdem schon einige Gestaltungen Alverdes´ im Großen Tiergarten unter dem Vorwand des Denkmalschutzes beseitigt worden sind (wie zum Beispiel die naturnahe Fassung des Goldfischteiches) – selbst unter Denkmalschutz gestellt werden! Es darf nicht sein (und es widerspricht auch den Leitlinien eines Georg Dehio), daß nur eine bestimmte Epoche als denkmalwürdig gilt, wie zum Beispiel das Barock mit seinen Sichtachsen, während die Zeit des Wiederaufbaus als nicht denkmalwürdig zu gelten scheint. Hier sei angemerkt, dass z. B. der Große Tiergarten nach Kriegszerstörungen, Brennholzentnahme und Gemüseanbau denkmalpflegerisch als völlig überformt bzw. zerstört, also als nicht wiederherzustellen, anzusehen ist – im Gegensatz zu Alverdes´ Kleinem Tiergarten. Da man nun bei der Beseitigung der Alverdesschen Planungen zugunsten der barocken Achsen im Bereich des Goldfischteiches vernünftigerweise die nach dem Krieg gepflanzten Bäume nicht abgehackt hat, stehen sie nun in den Achsen „dumm herum“ – besser kann diese Form von „Gartendenkmalpflege“ nicht lächerlich gemacht werden als durch sich selbst. Im 1992 veröffentlichten Parkpflegewerk sind diese Achsen übrigens noch nicht verzeichnet.
In der Baudenkmalpflege ist man da schon erheblich weiter im Denken, wie das Geschäftshaus Hardenberg (von Paul Schwebes) am Ernst-Reuter-Platz oder die Grundschule an der Weinmeisterstraße von Rudolf Ulrich und Gerhard Eichler zeigen!
Text und Fotos: Andreas Szagun
Alle Zitate nach:
Landesdenkmalamt Berlin / Sen SUT (Hrsg.), Der Berliner Tiergarten, Beiträge zur Denkmalpflege, Heft 9, Berlin, 1996.